Keine Angst, mich zu exponieren

Stephanie Fuchs Mobilität
Mobilität
  • Interview: Lioba Schneemann
  • Fotos: Lioba Schneemann

Kurzprofil

VCS Sektion beider Basel
Gellertstrasse 29
4052 Basel
http://www.vcs-blbs.ch/

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Keine Angst, mich zu exponieren

Stephanie Fuchs, «VCS (Verkehrs-Club der Schweiz)»

Stephanie Fuchs engagiert sich für eine klimakühlende Verkehrspolitik – mit Fachwissen und ohne Angst vor herrschenden Machtverhältnissen.

Stephanie Fuchs
Mobilität
  • Interview: Lioba Schneemann
  • Fotos: Lioba Schneemann

Kurzprofil

VCS Sektion beider Basel
Gellertstrasse 29
4052 Basel
http://www.vcs-blbs.ch/

In Basel wie in der ganzen Schweiz erhält das Auto seit fast 60 Jahren die besten Rahmenbedingungen.

Stephanie Fuchs

„Wir sind vielleicht frech, aber fundiert“, sagt Stephanie Fuchs über den Verkehrs-Club der Schweiz. „Wir haben keinen falschen Respekt vor wirtschaftlicher und politischer Macht.“ Die Leiterin des VCS beider Basel gibt sich nicht nur selbstbewusst – sie ist es. Sie müsse ja nicht allen gefallen, ihr Verband sei der Umwelt verpflichtet. Ausserdem habe sie kein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis, ergänzt sie scherzend.

Und schon ist sie mitten drin im Thema: Der überbordende Autoverkehr ist unsinnig und lebensfeindlich: Jede achte Autofahrt ist kürzer als ein Kilometer. Ein Auto bewegt eineinhalb Tonnen, um 70 Kilogramm Mensch voranzubringen. Im Pendlerverkehr braucht es neun Autos, um zehn Leute zur Arbeit zu fahren. Und das Parkieren verschlinge Lebensraum.

Der Verkehrs-Club der Schweiz setzt sich seit 1979 für eine menschen- und umweltgerechte Mobilität ein. Als einziger Verkehrsverband fördert er alle Verkehrsteilnehmer/innen, die zukunftsverträglich unterwegs sind, vom Fussgänger, über die Velofahrerin, den Fahrgast im öffentlichen Verkehr und selbst die Autolenkerin, die ihr Fahrzeug möglichst gezielt und wenig nutzt. Der VCS will eine Mobilität, die das Klima schützt, Platz und Energie spart sowie die Gesundheit schont, mit weniger Lärm und besserer Luft. Der Verband geht auch vor Gericht, wenn Strassen- oder andere verkehrserzeugende Bauprojekte das Umweltschutz- oder Raumplanungsgesetz verletzen. Eigentlich wäre es die Aufgabe der Behörden, über die Einhaltung der Gesetze zu wachen. „Wir klagen, wenn diese ihre Arbeit nicht machen. Deshalb gewinnen die Umweltverbände die meisten ihrer Fälle.“

Als ich einmal eine Verkehrsplanerin aus Kopenhagen fragte, zuckte sie die Schultern und erklärte schlicht: Der politische Wille ist einfach da.

Stephanie Fuchs

Natürlich sei es mitunter frustrierend, dass man der Basler Verkehrspolitik oft nicht anmerke, dass eine rot-grüne Regierung am Ruder sei. Beispielsweise wenn diese das Projekt Gundeli-Autobahntunnel aus den 1960er-Jahren wieder hervorkrame. Aber, so fügt sie hinzu, das motiviere sie schliesslich umso mehr. „In Basel wie in der ganzen Schweiz erhält der Autoverkehr seit fast 60 Jahren die besten Rahmenbedingungen. Logischerweise gibt es immer mehr davon. Das Velo muss sich hingegen irgendwie durchwursteln, Velostreifen hören auf, wo der Platz fürs Auto sonst knapp wird.“ Selbst Trottoirs werden meist eingeplant, aber Velos erhalten zu oft keine durchgehende Spur. Da wundert es nicht, dass vor allem Kinder und andere verletzlichere Verkehrsteilnehmer aufs Velo verzichten. Dabei hat das Zweirad ein enormes Potenzial, wie andere Städte beweisen. Eine Kernfrage, die die Geschäftsführerin bewegt, ist die, warum andernorts die Veloförderung boomt und hier nicht. Niederländische, dänische und schwedische Städte setzen auf den Veloverkehr und schaffen konsequent die dafür notwendige Infrastruktur. „Kürzlich war ich in Amsterdam, Utrecht und Haarlem. Das Velo hat vielerorts Vortritt vor dem Autoverkehr.“ Warum dies so sei, erzählt sie, weiss man dort auch nicht so recht.

Seit bald 12 Jahren ist Stephanie Fuchs beim VCS Sektion beider Basel aktiv. Sie will nicht Vorbild sein, sondern Hintergründe aufzeigen. Die Geografin interessieren Massnahmen an der Quelle der Umwelt- und Klimaschäden nicht die Symptombekämpfung: Kürzlich habe eine Radiosendung angesichts der Hitzewelle Tipps zum Wasser Sparen diskutiert. „Natürlich ist es sinnvoll, beim Zähneputzen das Wasser abzustellen. Aber weniger Auto fahren, kam nicht zur Sprache. Dabei produziert der Autoverkehr den Löwenanteil der Klimagase, die erst zu Hitze und Wasserknappheit führen. Ich fürchte, dass sich viele mit vordergründigen Massnahmen, die nicht weh tun, um ihre wirkliche Verantwortung herummogeln. Bei Themen wie dem Autofahren, wo es ans Lebendige geht, ist schon fertig.“ Eine konsequent autofreie Lebensführung hält dem einen Spiegel vor und stösst deshalb zuweilen auf Ablehnung, das sei „stur und verbissen“. Stephanie Fuchs lacht: „So ein Unsinn. Meine drei Kinder ohne lärmendes, stinkendes Auto in die Welt zu begleiten, war mir ein Genuss, und alles Mögliche und Unmögliche mit dem Velo zu transportieren, ist oft richtig lustig. Nicht im Auto klimaschädlichen Verkehr zu produzieren, ist Lebensqualität für mich.“

Publiziert im August 2018

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