«Mich interessieren die kniffligen Projekte»

Heinrich Degelo Energie
Energie
  • Interview: Béatrice Koch
  • Fotos: Porträt H. Degelo (zVg); Erlenmatt Innenräume (Barbara Bühler); Aussenansichten (AUE)

Kurzprofil

Degelo Architekten
St. Jakobstr. 54
4052 Basel
www.degelo.net

Genossenschaft Homebase
Thiersteinerrain 21
4053 Basel
www.homebase.swiss

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1/6 Architekt Heinrich Degelo sorgt mit dem «Haus ohne Heizung» für Aufsehen.

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2/6 Im Wohnatelierhaus in der Erlenmatt bleibt der Innenausbau den Bewohnerinnen und Bewohnern überlassen.

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3/6 Die Mieten im Wohnatelierhaus liegen mit zehn Franken pro Quadratmeter und Monat deutlich unter dem städtischen Durchschnitt.

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4/6 Die Balkone aus unbehandeltem, unverleimtem Holz sind ein Blickfang.

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«Mich interessieren die kniffligen Projekte»

Heinrich Degelo, Architekt

Heinrich Degelo errichtete in der Erlenmatt Ost das schweizweit erste Wohngebäude, das ohne Heizung auskommt. Der Mietzins liegt erst noch deutlich unter dem städtischen Durchschnitt. Mit einer Wohngenossenschaft möchte der Architekt dieses minimale Wohnkonzept weiterentwickeln.

Heinrich Degelo
Energie
  • Interview: Béatrice Koch
  • Fotos: Porträt H. Degelo (zVg); Erlenmatt Innenräume (Barbara Bühler); Aussenansichten (AUE)

Kurzprofil

Degelo Architekten
St. Jakobstr. 54
4052 Basel
www.degelo.net

Genossenschaft Homebase
Thiersteinerrain 21
4053 Basel
www.homebase.swiss

«Mit den heutigen Möglichkeiten muss man gescheiter bauen als früher. Als Grossvater kann ich meinen Enkelkindern doch nicht sagen, ich hätte es nicht besser gewusst», sagt Heinrich Degelo. Unter «gescheiter» versteht der Basler Architekt ressourcenschonender und günstiger. «Nachhaltigkeit und Energiesparen sind die grossen Schlagworte unserer Zeit.» Aber die verschiedenen Energielabels bringen laut dem 63-Jährigen mehr Verwirrung als Klarheit. Zudem könne der Minergie-Standard nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Mit dem Wohnatelierhaus, das Degelo mit der Genossenschaft Coopérative d’Ateliers in der Erlenmatt Ost errichtete, ging der Architekt folgerichtig einen Schritt weiter: Als erstes Wohngebäude der Schweiz kommt das innovative Projekt ohne Heizung und Kühlung aus. Die 80 Zentimeter dicken Wände speichern im Winter die Abwärme, die von den dort wohnenden Künstlerinnen und Künstlern sowie elektrischen Geräten ausgeht. Eine automatische Lüftung sorgt für Frischluftzufuhr.

In Kamerun möchten wir die traditionelle Bauweise mit natürlichen Materialen wiederbeleben.

Heinrich Degelo

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Im Wohnatelierhaus in der Erlenmatt bleibt der Innenausbau den Bewohnerinnen und Bewohnern überlassen.

«Dass ein Gebäude ohne Heizung keine Wärmeenergie verbraucht, ist selbsterklärend.» Ob das Wohnatelierhaus ein Minergie-Zertifikat erlangt oder nicht, ist deshalb für Degelo nebensächlich. Ein weiterer ökologischer Pluspunkt des Wohnatelierhauses sind die verwertbaren Baumaterialien: Die Balkone beispielsweise wurden aus unbehandeltem, unverleimtem Holz gefertigt, und die Aussenmauern bestehen aus speziell porösen und damit besser isolierenden Backsteinen. Auch bei einem anderen Projekt von Degelo Architekten ist die ökologische Bauweise ein grosses Thema, beim Bau eines Ausbildungszentrums für Permakultur in Kamerun: «Die traditionelle Bauweise mit natürlichen Materialien wie Lehm, Holz und Schilf ist dort fast vergessen gegangen. Wir möchten sie wiederbeleben und bauen auf Basis dieses Erbes. Die traditionellen Gebäude sind absolut ökologisch.»

Für manche sind die heutigen Mietpreise unerschwinglich. Auch wir Architekten sind hier in der Pflicht.

Heinrich Degelo

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Die Balkone aus unbehandeltem, unverleimtem Holz sind ein Blickfang.

Aber nicht nur die Bauweise erweist sich beim Künstlerhaus auf dem Erlenmattareal als speziell, sondern auch der Mietzins. Dieser liegt mit zehn Franken pro Quadratmeter und Monat deutlich unter dem städtischen Durchschnitt. Ein wichtiger Grund für die tiefen Mieten liegt darin, dass die insgesamt 17 Wohnateliers quasi im Rohzustand an die Genossenschafterinnen und Genossenschafter übergeben wurden: Trennwände, Einbauküche oder Bad gibt es hier nicht, dafür einen flexiblen Sanitärblock sowie Anschlüsse für Wasser und Strom. Ob die Bewohnerinnen und Bewohner nachträglich Wände hochziehen oder die Wände verkleiden möchten, bleibt ihnen überlassen. «Für manche sind die heutigen Durchschnittsmieten unerschwinglich», so Degelo. «Dieses Problem können wir nicht nur der öffentlichen Hand überlassen. Auch wir Architekten sind hier in der Pflicht.» Zudem seien die Grundrisse nach wie vor auf das traditionelle Familienmodell – Mutter, Vater, zwei Kinder – ausgerichtet. Und das, obschon es heute auch zahlreiche Single-Haushalte und Patchworkfamilien gibt, die ganz andere Bedürfnisse haben.

Wir entwickeln das minimale Wohnkonzept weiter.

Heinrich Degelo

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Man habe sich nicht unbedingt gefragt, worauf man verzichten könne, erklärt Degelo: «Die Frage lautete vielmehr: Was braucht es zum Wohnen unbedingt?» Die Antwort: Nicht viel mehr als eine Fläche mit angenehmen Raumtemperaturen. «Mich interessieren immer die besonders kniffligen Projekte wie der Umbau der St. Jakobshalle, der unter laufendem Betrieb stattfinden musste.»

Zwei Jahre nach dem Einzug der ersten Bewohnerinnen und Bewohner zieht Degelo eine positive Bilanz, obwohl er an Verbesserungen arbeitet. Dass man beispielsweise die Fenster im Winter nicht öffnen soll oder die Balkontür nach wenigen Minuten automatisch schliesst, sei für manche Bewohnerinnen und Bewohner gewöhnungsbedürftig. Das minimale Wohnkonzept, das Degelo mit dem Atelierhaus erstmals umgesetzt hat, entwickelt er mit der 2018 gegründeten Genossenschaft Homebase weiter: Das nächste Gebäude ohne Heizung soll in Pratteln entstehen.

Publiziert im Februar 2021

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